Die problematische Erbschaft – Teil 5
Montag, 12. März 2012 | Autor: admin
Text eines Vortrages zum Erbrecht vom 7.2.2012 – Fortsetzung
7) Haftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 ff BGB)
Generell tritt der Erbe in die Rechtsposition des Erblassers ein, er übernimmt also auch dessen Verbindlichkeiten – deshalb kommt der Möglichkeit der Ausschlagung auch eine beträchtliche Bedeutung zu. Der Erbe haftet aber nicht nur für die vom Erblasser übernommenen Schulden, sondern auch für die Verbindlichkeiten, die durch den Erbfall erst entstehen. Dies sind insbesondere Pflichtteilsrechte, Vermächtnisse und Auflagen. Zwischen diesen beiden Gruppen von Verpflichtungen muss klar unterschieden werden, denn eine unzureichende Erbmasse wirkt sich in den beiden Fällen sehr unterschiedlich aus.
Wenn eine Erbschaft angenommen worden ist und sich dann später erst herausstellt, dass die Erbmasse nicht ausreicht, um bestehende Schulden des Erblassers abzudecken, ist der Erbe nicht verpflichtet, diese Verbindlichkeiten aus seinem eigenen Vermögen zu bezahlen. Es gibt vielmehr verschiedene Möglichkeiten, mit der Situation umzugehen. Bei allen Möglichkeiten sollten sich die Erben vorab anwaltlich beraten lassen, insbesondere da auch hier Fristen, vor allem aber Formvorschriften zu beachten sind.
a) Aufgebotsverfahren
Zunächst einmal können, sofern die Lage unübersichtlich ist, Nachlassgläubiger im Wege des Aufgebotsverfahrens, das heißt also durch öffentliche Bekanntmachung, zur Anmeldung ihrer Forderungen aufgefordert werden. Dies ist ein eigenes Verfahren mit bestimmten Rechtsfolgen -z. B. dass Gläubiger, die ihre Forderung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anmelden, dann mit ihrer Forderung ausgeschlossen werden.
b) Nachlassverwaltung/Nachlassinsolvenz
Generell kann der Erbe seine Haftung auf die vorhandene Erbmasse beschränken, wenn er beim Nachlassgericht eine Nachlassverwaltung beantragt. Der Nachlassverwalter verschafft sich dann einen Überblick über die Lage und wird nicht selten zu dem Ergebnis kommen, dass ein Nachlassinsolvenzverfahren durchzuführen ist, weil zwar Vermögenswerte vorhanden sind, diese aber nicht ausreichen, um alle Gläubiger zufrieden zu stellen.
Wichtig ist, dass der Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens vom Erben umgehend gestellt wird, wenn ihm zur Kenntnis gelangt, dass der Nachlass überschuldet ist oder zumindest sein könnte.
c) Dürftigkeitseinrede
Wenn aber z. B. überhaupt gar keine oder nur eine geringe Erbmasse vorhanden ist, werden Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz nicht in Frage kommen, weil mit beiden Verfahren Kosten verbunden sind. In diesem Falle würden die Gläubiger sich direkt an die Erben halten. Diese können dann die Gläubiger darauf verweisen, dass die Erbmasse nicht ausreicht, um Forderungen zu erfüllen (Dürftigkeitseinrede). Die Erben müssten dann aber auch die vorhandene Erbmasse im Wege der Zwangsvollstreckung an den/die Gläubiger herausgeben.
d) Das vergessene Kleinkind als Erbe des überschuldeten Nachlasses
Eine besondere Situation entsteht, wenn alle infrage kommenden Erben das Erbe ausgeschlagen haben, aber dabei vergessen worden ist, dass es doch noch ein Kleinkind gibt, für das nicht ausgeschlagen worden ist – möglicherweise z.B. bei Trennungs- oder Scheidungssituationen, weil nur beide sorgeberechtigten Elternteile gemeinsam ausschlagen können.
Dies hätte zur Folge, dass das Kleinkind Erbe wird. Wenn dann auch nicht die Möglichkeit der Anfechtung der versäumten Ausschlagungsfrist wahrgenommen wird, führt dies dazu, dass die Gläubiger erwartungsvoll dem Tag entgegensehen, an dem das Kleinkind womöglich etwas erbt oder volljährig wird und anfängt, Geld zu verdienen. Hier hatte aber der Gesetzgeber ein Einsehen und hat in § 1629 a BGB festgelegt, dass Minderjährige, die von den Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder durch Erbschaft (bzw. Versäumen der Ausschlagung einer Erbschaft) belastet worden sind, hinsichtlich ihrer Haftung auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens beschränkt sind.
Hannelore Senft
Rechtsanwältin und Notarin
auch Fachanwältin für Arbeitsrecht
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