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Die problematische Erbschaft – Teil 6

Montag, 19. März 2012 | Autor:

Text eines Vortrages zum Erbrecht vom 7.2.2012 – Fortsetzung 5

8. Abwicklung der Erbschaft
Nachdem al­le die­se Vor­fra­gen ge­klärt wor­den sind, ein Erbschein oder ein Testament mit Er­öff­nungs­pro­to­koll vorliegen und fest­ge­stellt wor­den ist, dass erfreuli­cherwei­se die vor­han­de­nen Vermögenswerte die Verbindlichkeiten über­stei­gen, beginnt eine andere Ar­beits­pha­se, nämlich die Ab­wick­lung und damit ggfs. Aufteilung der Erbschaft.

a) Erbschaftssteuer
Bei der Zusendung von Testamenten mit Eröffnungsprotokoll durch das Nachlassgericht fin­det sich in der Regel schon der Fragebogen des Finanzamtes/Erbschaftssteuerstelle, der auf jeden Fall auszufüllen und zurückzusenden ist. Dazu ist der Erbe verpflichtet. Daraufhin setzt das Finanzamt die Erbschaftssteuer fest, gegebenenfalls mit Null.

b) Was sind Pflichtteilsansprüche?
Pflichtteilsansprüche (§ 2303 ff BGB) sind gesetzlich festgelegte Mindestansprüche für bestimmte An­ge­hö­ri­ge, die gesetzliche Erben geworden wären, wenn der Erblasser sie nicht enterbt hätte. Wenn es kein Testament gibt, können demnach auch keine Pflichtteilsansprüche entstehen (weil dann ohnehin die gesetzliche Erbfolge gilt).

c) Wer hat Pflichtteilsansprüche?
Pflichtteilsansprüche haben enterbte Abkömmlinge (i.d.R. Kinder und Enkel), Eltern und Ehegatten des Erblassers. Die El­tern können allerdings dann keine Ansprüche mehr geltend machen, wenn der Erblasser pflicht­teils­be­rech­tig­te Kinder hinterlässt bzw. diese eine Zuwendung angenommen haben, die dem Pflichtteil entspricht. Diese Ausschlussregelung entspricht der Regelung in der ge­setz­li­chen Erbfolge, wonach vorhandene Kinder des Erblassers dessen Eltern von der Erb­fol­ge ausschließen.

d) Pflichtteilsansprüche beim „Berliner Testament“
Pflichtteilsberechtigt sind auch Kinder von Ehepaaren, die ein sog. „Berliner Test­ament“ errichtet haben, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben mit der Ver­fü­gung, dass erst nach dem Tode des zuletzt Verstorbenen die Kinder erben sollen.

Die Kinder können in diesem Fall bereits nach dem Tode des zuerst Verstorbenen ihren Pflicht­teils­an­spruch geltend machen. Allerdings ist in „Berliner Testamenten“ häufig fest­ge­legt, dass derjenige, der dies tut, auch nach dem Tode des zuletzt Verstorbenen nur den Pflicht­teil erhalten soll.

e) Wie muss der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden?
Wer pflichtteilsberechtigt ist, erhält in der Regel (aber nicht zwingend) vom Nachlassgericht ei­ne Abschrift des eröffneten Testamentes mit dem Eröffnungsbeschluss.

Der Pflichtteilsanspruch sowie Pflichtteilsergänzungsansprüche müssen ausdrücklich schrift­lich geltend gemacht werden, und zwar beim Erben. Sie unterliegen der dreijährigen Re­gel­ver­jäh­rung. Ist der Erblasser 2011 verstorben und hat der Pflichtteilsberechtigte noch im gleichen Jahr Kenntnis vom Tode des Erblassers erlangt, beginnt demnach die Ver­jäh­rungs­frist am 31.12.2011 und endet am 31.12.2014. Nach 30 Jahren, gerechnet vom Tode des Erblassers an, ist der Pflichtteilsanspruch endgültig verjährt, unabhängig davon, ob der Pflichtteilsberechtigte vorher Kenntnis vom Erbfall erlangt hat oder nicht.

f) Berechnung des Pflichtteils
Der Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist in Geld zu lei­sten, d.h. der Pflichtteilsberechtigte hat keinen Anspruch auf Beteiligung an oder Über­tra­gung von Sachwerten oder Rechten.

g) Was müssen Erben beachten, wenn es Pflichtteilsberechtigte gibt?
Bei möglicherweise vorhandenen Pflichtteilsberechtigten muss nicht nur mit größter Sorgfalt ei­ne Aufstellung des Nachlasses gefertigt werden, es müssen auch entsprechende Rück­stel­lun­gen bei der Verteilung der Erbmasse vorgenommen werden – mindestens bis zum Ab­lauf der Verjährungsfrist, sofern sichergestellt ist, dass der Pflichtteilsberechtigte Kennt­nis vom Todesfall und seiner Enterbung erlangt hat.

h) Pflichtteilsergänzungsansprüche
Hat der Erblasser vor seinem Ableben beträchtliche Vermögenswerte verschenkt, besteht für den Pflichtteilsberechtigten u.U. ein Ergänzungsanspruch. Inwieweit frühere Schen­kun­gen zur Ergänzung des Pflichtteils zu berücksichtigen sind, ist zeitlich gestaffelt. Liegt eine Schen­kung vom Todesfall an gerechnet mehr als 10 Jahre zurück, wird sie überhaupt nicht mit einbezogen.

Besondere Regelungen gelten für Schenkungen an den Ehegatten, denn in diesem Fall fängt die 10-Jahres-Frist erst mit der Auflösung der Ehe (i.d.R. durch Scheidung) an zu laufen. Bei nicht ehe­li­chen Lebensgefährten entstehen Ergänzungsansprüche i.d.R. nur dann, wenn der Wert der Schenkung deutlich über das hinausgeht, was nach den Lebensverhältnissen des Paa­res als übliches Geschenk anzusehen wäre.

i) Vermächtnisse (§ 1939 BGB)
Neben dem Erben kann der Erblasser testamentarisch Dritten (natürlichen und auch ju­ri­sti­schen Personen) etwas zuwenden, also „vermachen“. Ein Vermächtnis kann sowohl aus Sach­wer­ten von Häusern und Schmuckstücken bis zur Lieblingssammeltasse, in Geld­be­trä­gen und auch in Bezugsrechten (z.B. Mieteinnahmen aus einem Haus etc.) bestehen.

Ist der Empfänger des Vermächtnisses beim Eintritt des Erbfalls schon verstorben, ist das Ver­mächt­nis unwirksam. Das gleiche gilt für nicht mehr existierende juristische Personen, es sei denn, der Erblasser hätte für diesen Fall eine Nachfolgebestimmung getroffen.

j) Auflagen (§ 1940 BGB)
Der Erblasser kann sowohl dem Erben als auch dem Vermächtnisnehmer Auflagen ma­chen – z.B. hinsichtlich der Grabpflege, der Pflege eines Haustiers des Erblassers etc.

k) Verhältnis von Vermächtnissen zu Pflichtteilen
Ist eine Erbmasse sowohl mit Pflichtteilsansprüchen als auch mit Vermächtnissen belastet, muss sorgfältig gerechnet werden.

Der Pflichtteilsanspruch berechnet sich nach dem Wert der Erbmasse, also nach Abzug et­wai­ger Schulden des Erblassers und der angemessenen Bestattungskosten, aber ohne Be­rück­sich­ti­gung von Vermächtnissen. Dabei sollte der Erbe berücksichtigen, dass er selbst häufig auch einen Pflichtteilsanspruch hat, der durch Vermächtnisse nicht un­ter­schrit­ten werden darf. Wenn also nach Berechnung der Vermächtnisse – die vorab zu be­wer­ten sind, ggfs. auch mit Hilfe eines Gutachtens – nicht mehr genug Erbmasse übrig bleibt, so dass die Pflichtteilsansprüche nicht voll erfüllt werden können, sind die Ver­mächt­nis­se anteilig zu kürzen und nicht etwa die Pflichtteilsansprüche.

Ist in diesem Fall der Erbe allerdings nicht selbst pflichtteilsberechtigt, muss er die Kürzung sei­nes Anteils hinnehmen.

Das Fazit ist, dass werthaltige Vermächtnisse niemals vorab ausgehändigt werden sollten, be­vor nicht Klarheit darüber herrscht, ob und in welcher Höhe Pflichtteilsansprüche be­ste­hen könnten.

l) Der pflichtteilsberechtigte Vermächtnisnehmer
Ist für einen Pflichtteilsberechtigten ein Vermächtnis ausgesetzt worden, so muss sich der Pflicht­teils­be­rech­tig­te den Wert des Vermächtnisses anrechnen lassen (§ 2307 BGB). Dies kann dazu füh­ren, dass der Pflichtteilsanspruch durch das Vermächtnis erfüllt wird.

Auch und gerade für diesen Fall gilt, dass Vermächtnisse nicht zu früh ausgehändigt wer­den sollten – schon gar nicht, bevor ihr Wert eindeutig und möglichst auch einvernehmlich fest­ge­stellt worden ist.

m) Lebensversicherungen
Lebensversicherungen nehmen sowohl bei der testamentarischen als auch bei der ge­setz­li­chen Erbfolge eine Sonderstellung ein: Sie fallen dem zu, den der Erblasser gegenüber der Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaft als Bezugsberechtigten bestimmt hat. Diese Be­zugs­be­rech­ti­gung kann durch testamentarische Bestimmung nicht aufgehoben oder geändert werden! Le­dig­lich wenn kein Bezugsberechtigter benannt ist, fällt eine Lebensversicherung in die Erb­mas­se.

Hat der Erblasser den Ehegatten als Bezugsberechtigten namentlich benannt und ist später die Ehe geschieden worden, berührt dies die Bezugsberechtigung des nun ehemaligen Ehegatten nicht, wenn nicht der Versicherungsnehmer bei der Versicherungsgesellschaft die Bezugsberechtigung abgeändert hat!

Wird allerdings ein Nachlassinsolvenzverfahren durchgeführt, hat der Insolvenzverwalter An­spruch auf die Versicherungssumme, unabhängig von der Person des Bezugsberechtigten. Hat der Bezugsberechtigte sie bereits erhalten, muss er sie herausgeben.

n) Vor- und Nacherbschaft (§§ 2100 ff BGB)
In Testamenten findet sich häufig eine Einsetzung als Vor- oder Nacherbe. Die Einsetzung als Vorerbe bedeutet, dass dieser zwar uneingeschränkt alle Einkünfte und Nutzungen aus der Erbmasse ziehen, aber nur eingeschränkt über sie verfügen kann. Gehört z.B. ein Haus mit mehreren Mietwohnungen zur Erbmasse, hat der Vorerbe Anspruch auf die ein­ge­nom­me­nen Mieten und muss auch für die Erhaltung aufkommen, darf aber ohne Zustimmung der Nacherben das Haus nicht verkaufen oder anderweitig übertragen. Das gleiche gilt für Be­la­stun­gen im Grundbuch (z.B. wegen eines Sanierungskredites).

Die Beschränkungen der Vorerbschaft können vom Erblasser teilweise, aber nicht voll­stän­dig aufgehoben werden. Dann findet sich im Testament die Bezeichnung „befreiter Vor­er­be“. Die Befreiung muss nicht namentlich genannt sein, sie kann sich auch aus den wei­te­ren Ausführungen im Testament ergeben.

Sinn der Anordnung von Vor- und Nacherbschaft ist, die Erbmasse in ihrem wesentlichen Be­stand zu erhalten.

Der Erblasser muss im Testament Bedingungen für das Ende der Vorerbschaft festlegen. In der Regel ist dies der Tod des Vorerben, es kann z.B. aber auch die Wiederverheiratung sein.

Ein Vorerbe ist gehalten, die Vorerbschaft getrennt von seinem eigenen Vermögen zu ver­wal­ten, da sich insoweit bei seinem Tod unterschiedliche Folgen für die Verteilung des Er­bes ergeben können.

o) Testamentsvollstreckung (§§ 2197 ff BGB)
Der Erblasser kann testamentarisch die Verwaltung des ganzen oder eines Teils des Nach­las­ses durch einen Testamentsvollstrecker anordnen. Eine häufige Konstellation ist, dass Kin­der oder sonstige Bedachte erst mit Vollendung eines bestimmten Lebensjahres die Ver­fü­gungs­ge­walt über die Erbschaft erhalten sollen, während bis dahin nur die Nutzungen für bestimmte Zwecke verbraucht bzw. durch den Testamentsvollstrecker gewährt werden kön­nen. In der Regel endet die Testamentsvollstreckung nach Eintritt einer festgelegten Be­din­gung, es kann aber auch dauerhafte Testamentsvollstreckung angeordnet werden.

Die Person des Testamentsvollstreckers muss im Testament nicht festgelegt werden, dies kann auch durch das Nachlassgericht erfolgen.

 

9. Erbschaften mit Auslandsberührung
Besondere Regelungen gelten dann, wenn der Erbfall bei Familien eintritt, in de­nen nicht al­le oder überhaupt keine Familienmitglieder die deutsche Staatsangehörigkeit ha­ben. Dann richtet sich die Erbschaft bzw. ihre Abwicklung nach dem Internationalen Pri­vat­recht. Art. 25 EGBGB bestimmt, dass die Rechtsnachfolge von Todes we­gen sich nach dem Recht desjenigen Staates richtet, dem der Verstorbene zum Todeszeitpunkt an­ge­hör­te.

Für im Inland belegenes Vermögen kann der Erblasser ein Testament nach deut­schem Recht errichten. Für im Heimatland oder in Drittländern befindliches Ver­mö­gen sind die Vor­schrif­ten zu ermitteln, die sich von Land zu Land unterscheiden. Hier wird in der Regel nicht nur grundsätzlich anwaltliche Hilfe benötigt, sondern auch anwaltliche Hilfe in dem je­wei­li­gen Land bzw. von einem spezialisierten inländischen Kollegen.

Sind nach dem Recht des Heimatlandes die Erbteile ermittelt, kann für in Deutschland ge­le­ge­ne Vermögensteile ein Teil-Erbschein ausgestellt werden. Für im Heimatland des Erb­las­sers oder in Drittländern befindliche Vermögensteile muss in den jeweiligen Ländern nach den dortigen Vorschriften verfahren werden.

Die Europäische Union arbeitet derzeit an einem Gesetz über ein europaweit ver­ein­heit­lich­tes Verfahren bei länderübergreifenden Erbschaften innerhalb der Union.

Hannelore Senft
Rechtsanwältin & Notarin
auch Fachanwältin für Arbeitsrecht

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Thema: Erbrecht

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